In den Achtzigerjahren mussten Êzîdinnen und Êzîden ihr Land, die Türkei, in Richtung Deutschland verlassen, weil das Leben dort immer schwieriger wurde. Keiner von ihnen hat damals sein Grundstück und seine Ländereien verkauft – denn die Flucht war aus ihrer Sicht eine zeitlich begrenzte. Sie haben gehofft, dass sie eines Tages wieder in ihren Dörfern und Häusern, die sie seit Jahrhunderten bewohnten, leben können.
Nach ihrer Flucht wurden jedoch viele ihrer Dörfer von ihren muslimischen Nachbarn zwangsbesetzt und man hat die Ländereien für sich in Anspruch genommen. Ihre Dörfer bekamen muslimische Namen, aus dem Dorf Kiwex wurde so Islam Köyü.
Die offiziellen Beitrittsverhandlungen der Türkei mit der EU, die 2005 aufgenommen wurden, waren auch für Êzîdinnen und Êzîden eine Hoffnung, denn eine der Grundsäulen der Beitrittsverhandlungen war Recht und Gerechtigkeit. Es wurden auch einige vielversprechende Reformen zu Demokratisierung und Gerechtigkeit eingeleitet, so auch im Justizwesen.
Êzîden haben
versucht ihre Rechte auf juristischem Wege zu bekommen, so haben sie die
Räumung ihrer Häuser und Dörfer bei den Gerichten beantragt. Zunächst
wurden diesen Anträgen auch Recht gegeben, aber zu einer endgültigen
Räumung kam es jedoch nicht.
Eines dieser Dörfer ist das Dorf
Kelhoke – am 3. Oktober 2018 wurde nun offiziell von einem türkischen
Gericht entschieden, dass die Besatzer in diesem Dorf und den Häusern
bleiben dürfen. Als Begründung nannte das Gericht die Verjährung;
dadurch sind die Êzîden de facto enteignet worden. Die Êzîdinnen und
Êzîden hatten sich im Vorfeld von diesem Urteil versprochen, dass es in
ihrem Sinne gefällt würde.
Dazu Hussein Ezer, Beiratsvorsitzender
des Zentralrats der Êzîden in Deutschland (ZÊD): „Es ist ein Skandal
ohnegleichen: Êzîden werden nun ganz offiziell durch den türkischen
Staat enteignet. Nirgendwo, außer in der Türkei, werden Räuber und
Besatzer von Privathäusern dafür belohnt. Hunderte von êzîdischen
Familien hatten geplant in ihre Dörfer zurückzukehren, um dort wieder
ein êzîdisches Leben zu ermöglichen – dies ist aber offensichtlich nicht
erwünscht. Der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdoğan, kommt nach
Deutschland und wirbt für Toleranz gegenüber Muslimen; was ist aber mit
der Toleranz gegenüber Êzîden, die seine Staatsbürger sind, die Teil
seines Landes sind? Wir erwarten, von allen politischen Akteuren – sei
es in der Türkei oder in Deutschland –, dass sie sich dafür einsetzen,
dass Êzîden ihre Dörfer und Häuser wieder zurückbekommen, dass sie ihre
ehemaligen Häuser wiederaufbauen und ihre Religion frei ausüben können.“
Ergänzend fügte Dr. Irfan Ortaç, Vorsitzender des Zentralrats der
Êzîden in Deutschland (ZÊD), hinzu: „Sollte die Türkei ernsthaft in die
EU aufgenommen werden wollen, ist die Vielfältigkeit der türkischen
Gesellschaft, zu der auch die Êzîden gehören und gehören sollten,
unerlässlich. Ich erwarte alsbald die Korrektur dieses Urteils.“
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